Die Wette mit unserer Zukunft – deutsche Klimapolitik: Eine Bestandsaufnahme

In dreieinhalb Monaten ist Bundestagswahl und der Wahlkampf hat bereits begonnen. Dieses Wochenende stimmten die Partei Bündnis90/die Grünen ihr Wahlprogramm während ihrer Bundesdeligiertenkonferenz ab. Auch die SPD hat bereits ein Wahlprogramm vorgelegt, die FDP und die Linken jeweils einen Entwurf. Das Wahlprogramm der CDU/CSU unterdessen lässt weiterhin auf sich warten. Klar ist schon jetzt: Am Thema Klimagerechtigkeit kommt bei dieser Bundestagswahl keine der Parteien vorbei. Und das ist auch gut so, denn die nächste Legislaturperiode wird entscheidend, wenn es darum geht, ob es noch möglich ist, Deuschland auf einen 1,5°C-konformen Pfad zu bringen. Aber wo stehen wir aktuell in der deutschen Klimapolitik? Und was muss die zukünftige Bundesregierung tun? Darum soll es in diesem Beitrag gehen. 

Was auf dem Spiel steht

Die Zeit rennt. Laut dem Mercator Research Insitute on Global Commons and Climate Change werden wir, wenn die Treibhausgas-Emissionen konstant bleiben, in weniger als sieben Jahren das 1,5°C-Limit überschreiten. Bereits bei 1,5°C werden Menschen ihr Zuhause aufgrund des Ozean-Anstiegs verlieren, Hitzewellen werden häufiger und 70% der Korallenriffe werden absterben, um nur einige Beispiele zu nennen. Wenn wir 1,5°C durchschnittliche Erderwärmung überschreiten, werden die Folgen noch drastischer und es besteht ein großes Risiko, dass bestimmte Kipppunkte, die die Erde unkontrollierbar in eine Heißzeit bringen würden, ausgelöst werden. Um zu verhindern, dass diese Prozesse vollends kippen, müssen wir so weit wie möglich unter dem 1,5°C-Limit bleiben, oder wie der Weltklimarat IPCC in seinem Sonderbericht zu 1,5°C schreibt: „Jedes bisschen Erwärmung zählt, jedes Jahr zählt, jede Entscheidung zählt“.

Reichen die deutschen Klimaziele aus?

Auch 33 Jahre Arbeit des Weltklimarats IPCC, zahlreiche Warnungen der Wissenschaft und zwei Jahre Klima-Streiks später,  scheint die Dringlichkeiten in der deutschen Klimapolitik immer noch nicht angekommen zu sein. Wie sonst lässt sich erklären, dass die nationalen Klimaziele Deutschlands im Pariser Klima-Abkommen (Nationally determined contributions – NDCs) zu einer Erderwärmung von 3°C, also dem Doppelten des 1,5°C-Limits führen würden, wenn alle Länder sich an diesem Nievau orientierten? Erst das Urteil des Bundesverfassungsgericht brachte Deutschland dazu, seine Klimaziele zu revidieren. Statt 2050 soll Deutschland nun 2045 klimaneutral werden und bis 2030 sollen die Emissionen um 65% im der Vergleich zu 1990 sinken (zuvor: 55%). Für ein Politik, die mit dem 1,5°C-Limit konform ist, reicht dies allerdings nicht aus. 

Ein 1,5°C-konformes Klimaziel für Deutschland wäre laut Climate Action Tracker eine Reduktion von 69% der Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030, als vier Prozent mehr als bisher angestrebt. Denn dann würde Deutschland bis 2030 seine Emissionen ca. halbieren – das entspricht der Entwicklung, die auch global erforderlich ist, um die Erderwärmung unter 1,5°C zu begrenzen. Allerdings sind in dieser Berechnung Aspekte von globaler Gerechtigkeit außen vor gelassen. So schreibt der Climate Action Tracker: „Würde  man die Anforderung, einen Beitrag zu den globalen Anstrengungen zu leisten, als nationales Reduktionsziel ausdrücken, müsste Deutschland seine Emissionen bis etwa 2030 auf Null reduzieren.“

Denn Deutschland hat in der Vergangenheit überproportional viel Treibhausgase ausgestoßen und tut dies auch weiterhin. Mit mehr 11 Tonnen CO2-Äquivalenten (Daten von 2017) ist der Treibhausgas-Ausstoß pro Kopf pro Jahr in Deutschland fast doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt. Gleichzeitig hat Deutschland als eines der zwanzig reichsten Ländern der Welt die Mittel und Ressourcen und damit auch die Verantwortung die weitreichende Transformation der Gesellschaft, die für die 1,5°C-Konformität nötig ist, schnell zu vollziehen. 

Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der als Beratungsgremium für die Bundesregierung fungiert, kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland bereits in den 2030er Jahren klimaneutral sein muss, statt erst 2045, um einen angemessenen Beitrag dazu zu leisten, dass wir das 1,5°C-Limit nicht überschreiten. Angemessener Beitrag bedeutet, dass sie die Annahme zugrunde legen, dass die Pro-Kopf-Emissionen weltweit gleich verteilt sind und Deutschland sich nicht raussnehmen kann, mehr Treibhaus-Gase pro Kopf auszustoßen als andere Länder. Ihren Berechnungen zur Folge hat Deutschland dementsprechend seit letztem Jahr ein Rest-CO2-Budget von 4,2 Gt CO2. Würden wir weiterhin so viele Emissionen  wie 2019 ausstoßen, wäre dieses Budget schon 2026 aufgebraucht. Wenn Deutschland sich vornähme die Emissionen jedes Jahr um die gleiche Menge zu reduzieren, müssten es spätestens 2032 Klimaneutralität erreicht haben, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als in einem Jahr durch z.B. Wälder wie aufgenommen werden können. Würde Deutschland jetzt in den kommenden Jahren die Emissionen zunächst stärker reduzieren, hätten wir zum Ende hin noch etwas mehr Zeit und Klimaneutralität müsste ca. 2035 erreicht werden.

Kurz zusammengefasst: Junge Menschen mussten erst vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, damit die Bundesregierung überhaupt in Betracht zog, ihre eigenen nicht ausreichenden Ziele zu verbessern. Und diese verbesserten Ziele liegen weiterhin – selbst wenn wir jegliche Fragen von globaler Gerechtigkeit und Verantwortung außen vor lassen würden – unter dem, was nötig ist, um eine 1,5°C-konforme Politik zu machen. Für einen gerechten Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele müsste Deutschland mindestens zehn Jahre früher klimaneutral werden, als aktuell geplant. 

Hält Deutschland seine eigenen Klimaziele ein?

Es gilt allerdings nicht nur, sich ehrgeizigere Ziele zu setzen, sondern diese müssen auch umgesetzt werden. Bisher war Deutschland nicht sonderlich gut darin, seine selbstgesteckten Ziele zu erreichen. 

2020 wurden in Deutschland ca. 739 Mio. Tonnen Treibhausgas-Emissionen freigesetzt. Das ist ein Rückgang von 40,8% im Vergleich zu 1990 und 8,7% geringer als 2019. Deutschland hatte sich vorgenommen, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren – das Ziel wurde also erfüllt. Allerdings geht das Umweltbundesamt davon aus, dass ein Drittel des Emissionsrückgangs 2020 auf die Folgen des Lockdowns während der Corona-Pandemie zurückzuführen sind. Der Chef des Bundesumweltamtes Dirk Messner sagte dazu: „[…] ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt.“ So stiegen die Emissionen vor der Corona-Pandemie im Verkehrssektor zwischen 1995 und 2019, vor allem wegen der Zunahme an Fahrzeugen auf den Straßen, um 5,1% an, statt zu sinken.

Deutschland muss sich also nicht nur ehrgeizigere Ziele setzen, sondern auch mehr dafür tun, diese tatsächlich einzuhalten. Um einen angemessenen Beitrag zur Einhaltung des 1,5°C-Limits zu leisten, muss Deutschland in den nächsten fünf bis sechs Jahren (also maßgeblich in der Legislaturperiode der neuen Bundesregierung) seine CO2-Emissionen jedes Jahr um 60 – 70 Mt CO2 reduzieren (das würde den Pfad vorraussetzen, bei dem Deutschland seine Emissionen zunächst etwas stärker reduziert, um auf den letzten Metern dann noch etwas mehr Zeit zu haben und 2035 klimaneutral zu werden). Vor der Corona-Pandemie reduzierte Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen jährlich ca. um 8 Mt CO2. Im vergangenen Jahr wurden ca. 70 Mt. CO2 eingespart. Dieses Niveau muss an jetzt jährlich gehalten werden, um die Bedrohung der Klimakrise abzuwenden. Allerdings waren die Einsparung von CO2-Emissionen 2020 bedingt durch eine tödliche Pandemie und den Lockdown. Dies kann also nicht die Lösung für die kommenden Jahre sein. Nötig ist eine schnelle und strukturelle Transformation hin zu einer klimagerechten Gesellschaft. 

Was muss getan werden? Und was wurde bisher getan?

Die zukünftige Bundesregierung steht also einer riesigen Aufgabe gegenüber, denn die nächsten vier Jahre sind entscheidend. Ist es überhaupt möglich, Deutschland dazu zu bringen, ab sofort jährlich 60- 70 Mt CO2 einzusparen? Das haben wir das renomierte Wuppertal Insitut für Klima, Umwelt und Energie gefragt und bei ihnen eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Ihre Antwort: Die Erreichung von Klimaneutralität bis 2035 ist anspruchsvoll, aber grundsätzlich möglich, wenn die gesellschaftliche Bereitschaft und der politische Gestaltungswille vorhanden sind.

Kohleausstieg

Die Verbrennung von fossilen Rohstoffen ist die größte Quelle von Treibhausgas-Emissionen in Deutschland (2018: 82,9%). Von den zehn größten Verursachern von Treibhausgasen in der EU sind sieben deutsche Braunkohlekraftwerke. Um eine Paris-konforme Politik zu machen, muss Deutschland laut dem Climate Action Tracker bis 2030 vollständig aus der Kohle-Verstromung aussteigen. Stattdessen beschloss in die Bundesregierung den Kohleausstieg bis 2038, also ganze acht Jahre zu spät. Zudem erhalten Kohlekonzerne aus Steuermitteln 4,35 Milliarden Euro „Entschädigungszahlungen“ für Gewinne, die ihnen potentiell entgehen könnten durch den Kohleausstieg. Und dies obwohl Expert*innen davon ausgehen, dass Kohleverstromung schon 2025 nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird und viele Kohlekraftwerke bereits dieses Jahr stillgelegt werden müssen, weil sie die EU-Grenzwerte für Stickstoff und Quecksilber überschreiten. Auch die EU-Komission ist der Meinung, dass die Entschädigungszahlungen zu hoch sind und hat deshalb ein Beihilfeverfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet. D.h. die EU wirft Deutschland vor den Kohlekonzernen unrechtmäßig Vorteile zu verschaffen. Andere EU-Länder sind schon wesentlich weiter im Kohle-Ausstieg: Während Belgien schon 2016 aus der Kohle ausstieg und Frankreich, die Slowakei, Portugal, Irland, Griechenland, die Niederlande, Finnland und Italien bis 2030 aus der Kohle aussteigen wollen, nahm Deutschland im Jahr 2020 mit Datteln IV noch ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb.

Erneuerbare Energien

Um Deutschland auf einen 1,5°C-konformen Pfad zu bringen, muss Deutschland laut des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung seinen Energiebedarf bis 2030 zu 85%-100% aus erneuerbaren Energien decken.  2020 machten erneuerbare Energien allerdings nur 19,3% des deutschen Energieverbrauchs aus. Während bei der Stromproduktion fast die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien kam, wächst der Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung und im Verkehr seit Jahren nur langsam. Laut einer neuen Studie des Think-Tanks Energy Watch Group ist es dennoch durchaus möglich bis 2030 die gesamte Energieversorgung zu 100% aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie zu decken, wenn das Ausbautempo an erneuerbaren Energien drastisch verschnellert wird und 20 mal so schnell stattfindet, wie aktuell. Allerdings werden bei dem Ausbau erneuerbarer Energien seltene Erden und Edelmetalle benötigt, die häufig aus dem Globalen Süden kommen. Es muss darauf geachtet werden, dass der Energiehunger in Ländern des Globalen Nordens nicht vordergründig nachhaltig aus erneuerbaren Energien gedeckt wird, aber gleichzeitig für z.B. Bergbau in Ländern des globalen Südens Umwelt zerstört und Menschenrechte verletzt werden. Dies ist aber kein Argument gegen die Energiewende, sondern eins für ihre global gerechte Gestaltung. Fossile Energieerzeuger, wie Kohlekraftwerke, haben insgesamt eine wesentlich schlechtere Gesamtrohstoffbilanz.

Obwohl wohl bewusst ist, dass wir erneuerbare Energien brauchen, um unsere Energiesystem bis 2035 klimaneutral zu gestalten, stockt der Ausbau seit Jahren. So stieg die Installation von Windkraftanlagen 2020  lediglich um 1.446 Megawatt (MW). Insgesamt gab es seit dem Jahr 2000 nur 2 Jahre (2008 und 2010) mit weniger neu installierter Windenergieleistung. Rund 40.000 Arbeitsplätze sind schon verschwunden oder bedroht in der Windkraftbranche durch die schwierigen Bedingungen für den Windkraftausbau in Deutschland. Auch in der Photovoltaik kam es durch die mangelnde Förderung von erneuerbaren Energien zu einem Umzug nach China, wodurch in Deutschland rund 100.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden. Dabei sind laut Expert*innen-Meinungen in Deutschland jede Menge Flächen für den Photovoltaik-Ausbau z.B. auf Dächern und Parkpltäzen vorhanden und ein erneuerbares Energiesystem auf lange Sicht sogar günstiger als ein fossiles.

Verkehrssektor

Der Verkehr in Deutschland ist weiterhin größtenteils auf fossile Energien angewiesen. In den vergangenen Jahren stieg der CO2-Ausstoß in dem Sektor (mit Ausnahme von 2020 aufgrund des Lockdowns). Grund dafür ist v.a dass sich mehr Fahrzeuge auf den Straßen befinden. Laut der Machbarkeitsstudie des Wuppertal Instituts muss daher bis 2035 der Autoverkehr halbiert und der PKW-Bestand in Städten um 2/3 veringert werden. Gleichzeitig müssen die Kapazitäten für den Öffentlichen Verkehr verdoppelt werden: das bedeutet auch, dass die Förderung für den Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV) und die Schieneninfrastruktur verdoppelt werden muss. Wichtig ist auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigen im öffentlichen Verkehr. Aktuell fehlen 15.000 Stellen im ÖPNV – für eine nachhaltige Verkehrswende brauchen wir diese Menschen!

Wo die Mobilität noch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgedeckt werden kann, muss der motorisierte Individualverkehr auf Elektroantrieb umgestellt werden (Das Wuppertal Institut bevorzugt den Elektro-Antrieb vor Wasserstoff aufgrund der dreimal höheren Gesamteffizienz). 2019 hatten allerdings von 3,6 Mio. zugelassenen Autos nur 63.000 einen Elektroantrieb. Auch geht der Climate Action Tracker davon aus, dass die bisherige Förderung für den Kauf von E-Autos und die restlichen Maßnahmen bis 2030 nur zu einem Anteil von etwa 30% E-Autos am motorisierten Individualverkehr führen würde. Um mit dem Pariser Klima-Abkommen in Einklang zu stehen, müssen EU-Staaten wie Deutschland aber bis 2030 95% -100% Elektro-Autos haben. Auch fehlt in Deutschland weiterhin ein konkretes Datum für ein Verbot von Autos mit Verbrenner-Motoren. Norwegen beispielsweise verbietet ab 2025 Neuwagen mit Verbrennermotoren zu verkaufen.

CO2-Bepreisung

Ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Dekarbonisierung des Verkehrs sind laut dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie höhere CO2-Preise, die fossile Kraftstoffe teurer machen. Bei der aktuellen Debatte um die Spritpreise wird von den aktuellen Regierungsparteien ignoriert, dass sie selbst einen CO2-Preis beschlossen haben, der für eine Verteuerung von u.a. Benzing und Diesel führt und auch steigen soll in den Jahren. Allerdings liegt der Preis mit 25 Euro viel zu gering, um die wahren Kosten, die schon jetzt durch Treibhausgas-Emissionen produziert werden, wiederzuspiegeln. Laut Berechnungen des Bundesumweltamtes entstanden 2016 Umweltschäden durch Ernteausfälle, Gesundheits- und Materialschäden  und Schäden an Ökosystemen in Höhe von 146 Milliarden Euro allein durch deutsche Treibhausgase. Das entspräche 180 Euro pro Tonne CO2. Ein CO2-Preis in dieser Höhe würde also die wahren Kosten wiederspiegeln, die durch Emissionen schon jetzt entstehen und könnte zugleich dazu beitragen, Klimaschutz sozialgerecht zu gestalten. 

Industriesektor

Nach dem Energiesektor ist der Industriesektor die zweitgrößte Emissionsquelle in Deutschland. Statt zu sinken, bleiben die Emissionen zudem seit Jahrzehnten fast auf dem gleichen Niveau. Innerhalb der Industrie sind Stahl, Chemie und Zement für die meisten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Für die Stahlproduktion, dem größte Verursacher von Treibhausgasemissionen, hat die Bundesregierung eine Strategie für klimafreundliche Stahlproduktion veröffentlicht und mehr Finanzierung für klimafreundlichen Stahl zugesagt. Mit den zusätzlichen fünf Milliarden Euro zwischen 2022 und 2024 sollen u.a. Decarbonisierungsprogramme und ein Wasserstoffprojekt finanziert werden. Wasserstoff trägt allerdings nur zu einer klimagerechteren Stahlproduktion bei, wenn sichergestellt ist, dass er mit erneuerbaren Energien produziert wird und Menschenrechtsverletzungen bei seiner Produktion ausgeschlossen werden können. Laut Climate Action Tracker fehlt ein klarer politischer Rahmen, mit dem die Emissionen aus der Stahlproduktion bis 2030 um 45% unter das Niveau von 2015 gesenkt werden können, was nötig wäre, um den Sektor aus Paris-Kurs zu bringen.

Klimafinanzierung

Die oben genannten Bereiche stellen einige der wichtigsten, jedoch nicht alle Handlungsfelder für eine Klimapolitik in Deutschland dar, die Emissionen soweit reduziert, dass ein angemessener Beitrag zur Einhaltung des 1,5°C-Limits global geleistet wird. Deutschland trägt aber als Industrieland eine historische Verantwortung dafür, dass wir uns überhaupt in der Klimakrise befinden. Gleichzeitig sind Länder des globalen Südens, die am wenigsten zu dieser Krise beigetragen haben, am stärksten betroffen und müssen zudem die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft unter wesentlichen schwierigeren Bedingungen vollziehen. Deshalb fordern viele Länder des Globalen Südens mehr Klimafinanzierung, also finanzielle Mittel zur Anpassung an die Konsequenzen der Klimakrise und für Klimaschutz-Maßnahmen, von Ländern des  Globalen Nordens. Bisher hat Deutschland angekündigt, jährlich vier Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Die von den Staaten des globalen Nordens aktuell bereit gestellte Klimafinanzierung entspricht allerdings nicht einmal ansatzweise den Kosten, die Länder des Globalen Südens schon jetzt durch die Klimakrise haben. Daher haben wir beispielsweise gemeinsam mit vielen anderen Jugend-Organisationen eine Verdopplung der deutschen Klimafinanzierung auf acht Milliarden Euro pro Jahr gefordert. Die deutsche Klimafinanzierung wird zudem bisher größtenteils in Form von Darlehen und Krediten gewährleistet. Dadurch geraten Länder des Globalen Südens zunehmend weiter in Verschuldung gegenüber Deutschland, um sich vor einer Krise zu schützen, für die sie nicht die Verantwortung tragen. Die Klimafinanzierung muss im Sinne des Verursacherprinzips als nicht rückzahlbare Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Fazit

Die aktuelle Klimapolitik reicht – auch wenn das neue Klimaschutzgesetz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht in Blick genommen wird – bei weitem nicht aus, um einen angemessenen Beitrag dazu zu leisten, dass das 1,5°C-Limit nicht überschritten wird. Die nächste Legislaturperiode ist entscheidend, wenn es um die überlebenswichtige Frage geht, ob Deutschland noch auf einen 1,5°C-konforme Pfad gelangt, was bedeutet, dass Klimaneutralität bis spätestens 2035 erreicht werden muss. Die neue Bundesregierung muss nicht nur ehrgeizigere Ziele beschließen, sondern diese auch in wesentlich höherem Tempo als bisher umsetzen. Unter diesen Bedingungen ist eine klimagerechte Zukunft für alle noch möglich. 

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2 Gedanken zu “Die Wette mit unserer Zukunft – deutsche Klimapolitik: Eine Bestandsaufnahme

  1. Meine Hoffnung, dass noch mehr Menschen umdenken, steigt. Zunächst kam uns die Pandemie zu Hilfe. Sie zwang viele zum Nachdenken.
    Jetzt droht ein neuer heißer, sehr trockener Sommer. Anschließende Unwetter werden die Versicherungen zu weiteren Überlegungen zwingen.
    Immer mehr Menschen nutzen fast ausschließlich das Fahrrad und halten sich dadurch auch noch fit.
    ( 1/4 Millionen Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Krebs, der vor allem auf Bewegungsmangel zurückzuführen ist.)
    Auch junge Familien verzichten auf einen Urlaub im Ausland. Das Bewusstsein, jetzt etwas tun zu müssen, steigt.
    Wenn wir ab sofort jeden Freitag auf die Straße gehen, werden wir einer grünen Klimapolitik zum Erfolg
    verhelfen.
    Die Wirtschaft steuert bereits auf eine nachhaltige um. Wenn sie politisch nicht unterstützt würde, wäre das fatal.
    Liebe Aktive, bleibt optimistisch und aktiv!
    Hätten wir 2011 eine Umweltministerin Merkel so unterstützt wie Frau Schulz das heute erfährt, hätte sie ihr Wissen umsetzen können. Mir einer CSU am Tisch war es die folgenden 10 Jahre nicht einfach.

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