„Wir sollten an die Macht der Menschen, Wandel in der Welt herbeizuführen glauben.“- Ein Interview mit Jahanavee von Fridays for Future Indien über den Leaders‘ Summit on Climate 2021

Wir hatten die Chance zum Leaders‘ Summit on Climate 2021 ein E-Mail-Interview mit Jahanavee von Fridays for Future India zu führen. Sie berichtet über ihre Sicht auf den Leaders‘ Summit on Climate 2021 und obgleich wir ihr gerne noch weitere Fragen gestellt hätten, macht sie sehr deutlich, warum es überfällig ist, dass mehr MAPA Länder (MAPA = Most affected people and areas – die am meisten betroffenen Menschen und Gebiete) an Entscheidungen über den Kampf gegen die Klimakrise teilhaben. 

Wer bist du und was sind die Themen, auf die sich deine Arbeit bei FFF im Moment fokussiert? 

Hallo, ich bin Jahanavee Palsodkar aus Indien und ich benutze sie/ihr Pronomen. Ich studiere Biologie und bin eine Klima- und Umweltgerechtigkeitsaktivistin. Aktuell arbeite ich bei Fridays for Future Digital und in meiner Regional Gruppe FFF Pune mit. FFF Pune fokussiert sich auf digitale Aktivitäten, um Awareness für das Klima und die ökologische Krisen unter die Menschen zu bringen. Und auch gegen Covid-19 kämpfen wir. Das Ziel von FFF Digital ist es den Aktivismus von lokalen FFF Gruppen sichtbar zu machen und zu verbreiten. Wir helfen ihnen außerdem digitale Kampagnen zu starten!

Am 22. und 23.04 fand der „Leaders‘ Summit on Climate 2021“ statt. US-Präsident Biden hat 40 Regierungs- und Staatschef*innen aus Ländern, die viel CO2 emittieren eingeladen, um wieder über den Kampf gegen den Klimawandel zu reden. Was hattest du dir von dem Treffen erwartet? Wurden deine Erwartungen erfüllt?

Um ehrlich zu sein, ich habe eigentlich nicht erwartet, dass dieses Treffen irgendein Ergebnis hervorbringen wird. Wir haben schon zu viele Summits, Treffen und Konferenzen wie diesen gesehen. Die Ergebnisse waren immer nur Richtlinien, welche das Papier, auf dem sie geschrieben wurden, kaum wert sind und nie den Schritt zur Umsetzung geschafft haben. Ich hatte gehofft, dass die Staats- und Regierungschef*innen zumindest anstreben würden, während dem Gipfel mit MAPA-Ländern ins Gespräch zu kommen und zuhören würden, was sich die am meisten betroffenen Länder vom Summit wünschen. Das ist leider nicht passiert.

Wir haben gesehen, dass  Politiker*innen große Ankündigungen für Zeitperioden gemacht haben, welche noch weit in der Zukunft liegen, obwohl die Wissenschaft uns sagt, dass wir jetzt sofort handeln müssen. Des Weiteren sind diese Ziele durchsetzt von Lücken und Schlupflöchern, oft auf Kosten von MAPA. Dennoch saßen beim Summit viele der großen CO2-Emittenten zusammen und redeten über ihren Willen etwas gegen den fortschreitenden Klimawandel zu unternehmen, trotz herrschender diplomatischer Konflikte. Wie fühlt sich diese Ankündigung für dich an? Bist du eher optimistisch, oder pessimistisch?

Für mich fühlen sich diese Ankündigungen nicht adäquat an. Alles worüber sie reden sind „Netto-Null Ziele“ in fernen Dekaden wie 2030 oder 2040. Zusätzlich gibt es zur Erreichung dieser Ziele keine konkreten Aktionspläne mit kurzfristigen Prüfungen, ob die Ziele erreicht wurden. Trotzdem denke ich, dass wir es uns an diesem Punkt nicht leisten können allzu pessimistisch zu werden. Denn wenn wir pessimistisch werden, schwächen wir unseren  Kampf durch die Stimme in unserem Kopf, die sagt „Was, wenn das nicht klappt?, Was, wenn das was ich tue nicht genug ist?“ Wir kämpfen den Kampf um Klimagerechtigkeit mit dem besten was unsere Möglichkeiten hergeben. Wir sollten unseren Kampf nicht selbst anzweifeln. Wir sollten an die Macht der Menschen,Wandel in der Welt herbeizuführen, glauben.

„We are striving to fight for climate justice to the best of our abilities. Our fight should not be doubted from ourselves. We should believe in the power of the people to create a change in our world.“

Jahnavee, FFF Pune (Indien)

Wie wurde der Biden-Summit in Indien aufgefasst, zum Beispiel in den Nachrichten?

Wie ich schon gesagt habe, alles, was wir vom Summit erwartet haben – auch in Indien – waren leere Versprechen. Die Nachrichtenkanäle haben den Summit wenig beachtet und immer wieder die gleichen Phrasen wiederholt. In Indien leiden wir aktuell unter einer massiven Gesundheitssystemkrise/ Gesundheitsversorgungskrise durch die Pandemie, die den Großteil der Nachrichten einnimmt. Ich hab kein Problem damit, aber es machte es schwer, die Aufmerksamkeit des Landes auf den Summit und die leeren Versprechen unserer Staats- und Regierungschef*innen zu lenken. 

Anmerkung der Redaktion: Indien ist eines der derzeit am stärksten betroffenen Corona-Gebiete. Besonders in den Großstädten wie der Hauptstadt Neu-Delhi war zuletzt das Gesundheitssystem überlastet und die Versorgung mit unter anderem Sauerstoff nicht für alle Patient*innen möglich. Darunter leiden besonders die armen Bevölkerungsteile, die sich keine Behandlung in Privatkliniken leisten können und die auf tägliche Arbeit angewiesen sind. Dementsprechend sind auch die Medien von der Pandemie-Entwicklung dominiert.

FFF-Aktivisti aus vielen Ländern haben auf den Summit und ihre Probleme damit unter anderem in einem Mockup-Summit aufmerksam gemacht. Auf welche Aspekte der Kritik möchtest du nochmal besonders eingehen?

Nur 40 Länder wurden zum Summit eingeladen. Joe Biden hat viele Länder, die genauso sehr, wenn nicht mehr vom Klimawandel betroffen sind, nicht einbezogen. Durch diese Limitierung der Perspektiven auf internationaler Ebene, bleiben die Probleme und Stimmen von MAPA der Welt verborgen und werden nicht miteinbezogen, wenn ein Aktionsplan erstellt wird. Aber wir müssen diesen Stimmen Raum geben, wenn wir einen gerechten Plan für Klimamigration erstellen wollen. Und vor allem müssen wir zunächst die Zerstörung dieser Gebiete verlangsamen.

Was forderst du von den Entscheidungsträger*innen und den größten Verursacher*innen des Klimawandels?

Ich fordere, dass sie MAPA zuhören. Sie werden von reicheren Nationen für Geld und Ressourcen ausgebeutet und blicken den schlimmsten Auswirkungen der Krise entgegen, obwohl sie am wenigsten dafür können. Das ist einfach nur ungerecht und die Kriminellen sind in diesem Fall die Länder des Globalen Nordens. Wenn die Staats- und Regierungsschef*innen eine Migrationspolitik unter Berücksichtigung der Klimakrise anstreben, sollten sie anerkennen, dass sie die wahren destruktiven Auswirkungen der Krise nicht verstehen oder erleben. Sie wissen nicht was MAPA durchmachen oder welche Maßnahmen MAPA brauchen, um Klimagerechtigkeit zu schaffen. Daher ist es einfach nur töricht und ungerecht, MAPA nicht in die Gespräche einzubeziehen. Hört auf die Erfahrungen von MAPA selbst zu erzählen, sondern hört den Betroffenen zu!

Unterstütze auch du diese Forderungen und unterschreibe die Petition von FFF MAPA.

Einige Hintergrundinformationen:

Der indische Premierminister war auf dem Biden-Summit und betonte im Zuge des Gipfels die Anstrengungen, die sein Land bereits unternehme und die Indien derzeit auf dem 2°C Pfad verorten.  Das ist einerseits nicht genug, andererseits besser als die meisten Länder des Globalen Nordens. Es wurde ein USA-Indien Clean Energy Projekt gestartet, welches Zusammenarbeit für erneuerbare Energien und nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum verspricht. Es wird sogar davon gesprochen, dass Indien dadurch auf einen 1,5°C Kurs gebracht werden soll. Gleichzeitig investiert Indien jedoch noch immer viel in Kohle und der Chef der Adani Group (unter anderem verantwortlich für die desaströse Carmichael Mine in Australien) beispielsweise pflegt engen Kontakt zur Regierung. Lobbyismus, der dem klimaschädlichen Unternehmen Vorteile bringt. Eine der größten Schwierigkeiten, denen sich das riesige Land im Hinblick auf den Klimaschutz stellen muss, sind  die großen Unterschiede. 2/3 der Bevölkerung lebt auf dem Land und hat nur wenig oder keinen Zugang zu Elektrizität. Es gilt also diese Ungleichheit und in diesem Zuge auch Armut zu bekämpfen, ohne dabei die Emissionen zu steigern.  Eine große Herausforderung. Gleichzeitig aber auch eine Chance, da gleich in klimafreundliche Versorgung investiert werden kann. Indien ist eines der Länder, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind und sein werden. Besonders unter Druck steht auch hier die ärmere Landbevölkerung. Gerade die Veränderungen des Monsuns sind kritisch für die Landwirtschaft und erwartete Fluten und schlimmere Dürren gefährden die Lebensgrundlagen vieler Menschen.

Zum Weiterlesen:

https://climateactiontracker.org/countries/india/
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-indien-botschafter-lindner-interview-100.html
https://www.eurasiareview.com/07052021-bidens-summit-on-climate-crisis-and-indian-responses-oped/
https://indianexpress.com/article/india/narendra-modi-joe-biden-india-us-clean-energy-initiative-7284833/
https://www.heise.de/tp/features/Indien-Corona-geht-die-Klimaziele-auch-4981397.html?seite=all
https://timesofindia.indiatimes.com/india/clean-energy-deal-with-india-core-pillar-of-bilateral-cooperation-biden/articleshow/82227196.cms
https://www.thethirdpole.net/en/climate/climate-change-is-making-india-less-liveable/
https://qz.com/india/1898213/how-climate-change-will-hurt-indias-already-wounded-economy/
https://www.indiawest.com/blogs/u-s–india-clean-energy-partnership-to-show-world-how-to-align-climate-action/article_5215d5d6-a450-11eb-9b1d-e355206b2530.html
https://www.worldbank.org/en/news/feature/2013/06/19/india-climate-change-impacts

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