In Bewegung – Klima-Update Wochen 23-27

In den letzten Wochen ist viel passiert. Daher haben wir den Wochenbericht in mehrere Teile aufgeteilt. Die Verkehrs(wende)-Nachrichten der letzten Wochen lest ihr in Teil 1 , die Klimanotstands-Neuigkeiten in Teil 2 und in diesem dritten und letzten Teil fassen euch Jerrit und Lara zusammen, was in den letzten Wochen in der Klimapolitik und in unserer Bewegung passiert ist. 

Nächstes Klima-Urteil: Belgiens mangelnde Klimapolitik bricht Menschenrechte

Mangelndes Engagement für Klimaschutz verletzt Grundrechte – worauf Wissenschaftler*innen und Menschenrechtsaktivist*innen schon seit langem aufmerksam machen, bestätigen nun auch mehr und mehr Gerichte durch ihre Urteile. Seit Beginn dieses Jahres gab es mehrere wegweisende Urteile: Nachdem ein Gericht in Frankreich den französischen Staat wegen Untätigkeit im Klimanotstand verurteilte, das Bundesverfassungsgericht das Klimapaket der Bundesregierung für teilweise verfassungswidrig erklärte und ein Gericht in den Niederlanden den Ölkonzern Shell zu mehr Klimaschutz verpflichtete, errangen belgische Klimaaktivisti nun den nächsten Erfolg vor Gericht: Der Klage der Nichtregierungsorganisation (NGO) Klimaatzaak und 58.000 Nebenkläger*innen wurde stattgegeben. Das Gericht lehnte zwar mit Verweis auf die Gewaltenteilung die Forderung der Kläger*innen ab, selbst neue CO2-Reduktionsziele zu verhängen. Es urteilte aber, dass die belgische Regierung dadurch, dass sie nicht genug für den Kampf gegen die Klimakrise tut, gegen das belgische Zivilrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Wir streiken bis ihr handelt: Deutschlandweite Streiks und globaler Klimastreik am 24.09

42 Jahre nach der ersten Weltklimakonferenz, 6 Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen und fast 3 Jahre nach den ersten Klimastreiks wird in Deutschland immer noch keine Klimapolitik gemacht, die mit dem 1,5°C-Limit im Einklang steht. Keine der größeren Parteien hat für die Bundestagswahl ein Programm, das ausreicht, damit Deutschland einen gerechten Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leistet. Doch die nächsten Jahre sind entscheidend. Daher gehen wir auf die Straßen, für Klimagerechtigkeit und ambitionierte Klimapolitik. Am 18.06, 100 Tage vor der Bundestagswahl, waren wir in über 30 Städten in ganz Deutschland wieder auf den Straßen – und das ist nur der Anfang von zahlreichen weiteren Streiks! Zwei Tage vor der Bundestagswahl, am 24.09 werden wir in ganz Deutschland und weltweit mit unserem nächsten globalen Streik unsere Forderung nach einer gerechten und konsequenten Klimapolitik unüberhörbar machen! Die Streikorte, Mobi-Material und vieles mehr findest du hier.

Das Augsburger Klima-Camp wurde 1 Jahr alt

Wir streiken, bis ihr handelt –  Unter diesem Motto streiken Klima-Aktivisti in Augsburg seit mittlerweile über einem Jahr. Seit dem 01.Juli.2020 steht das Klima-Camp, trotz Räumungsdrohungen, Winter und mehrere Lockdowns. Das Klima-Camps Augsburg bietet nicht nur ein vielfältiges Bildungsangebot an, sondern inspirierte auch Klima-Camps in ganz Deutschland. Aktuell gibt es neben dem Klima-Camp in Augsburg Klima-Camps in Bremen, Hamburg, Karlsruhe, Köln, Lüneburg, Nürnberg, Reutlingen, Siegen und im Sterkrader Wald.

G7-Gipfel: Hauptsächlich leere Versprechen

Beim G7-Gipfel, dem Treffen der Staats- und Regierungschef*innen aus  7 Industriestaaten (Kanada, USA, Deutschland, Frankreich, Großbrittanien, Italien und Japan) und der EU, gab es leider kaum Fortschritte in der Klimapolitik. Zwar versprachen die G7-Staaten, bis 2050 klimaneutral zu werden und legten damit erstmalig ein Datum fest. Doch um einen angemessenen Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise gemäß des Pariser Klimaabkommens zu leisten, müsste beispielweise Deutschland bereits 2035 klimaneutral sein. Auch bleibt fraglich, wie die G7-Staaten ihre CO2-Emissionen bis 2030 halbieren und bis 2050 auf Netto-Null bringen wollen. Denn auf ein Datum für den Kohleausstieg konnten sich die Vertreter*innen der Industrieländer nicht einigen. Zwar einigten sich die Finanzminister*innen der G7-Staaten vor dem Gipfel immerhin, ab 2022 keine finanzielle Unterstützung für Kohleprojekte im Ausland bereitzustellen – allerdings nur, wenn diese nicht über Technologien für CO2-Abscheidung verfügen. Die Solidarität und Unterstützung der G7-Länder, die maßgeblich zur Klimakrise beigetragen haben und dies weiterhin tun, für Länder des Globalen Südens, die nicht nur bereits jetzt stärker von der Klimakrise betroffen sind, sondern auch schlechtere Vorraussetzungen für die Transformation in eine klimaneutrale Gesellschaft haben, bleibt unterdessen dürftig. Bis 2020 hatten die reichsten Länder eigentlich versprochen, 100 Milliarden Dollar für Klimafinanzierung, also Mittel für Anpassung an Klimafolgen und Klimaschutzmaßnahmen, aufzubringen. Für 80% der Gelder waren die G7-Länder verantwortlich, doch das Ziel wurde nie erreicht. Im Abschluss-Dokument des Gipfels heißt es nun wieder: Man bekräftige das Ziel, bis 2025 100 Milliarden Dollar Klimafinanzierung aufzubringen – Unklar bleibt allerdings, wie das geschehen soll. Deutschland versprach immerhin, seinen Beitrag von 4 Milliarden auf 6 Milliarden Euro bis 2025 zu erhöhen. Doch dieses Versprechen bleibt maßgeblich hinter den Forderungen der Zivilgesellschaft nach einer Verdopplung der Mittel zurück. Rund um den G7-Gipfel demonstrierten zahlreiche Menschen. Nun gilt es den Druck aufrecht zu halten, damit es bei der Klimakonferenz COP26 im November nicht bei diesen leeren Versprechen bleibt, sondern die Verursacher-Staaten endlich handeln. 

Gas-Lobby nimmt COP26 ins Visier

Im November richtet Großbritannien die Klimakonferenz COP26 als Gastgeberland aus – Nun kam basierend auf Recherchen von Greenpeace heraus, dass einige der weltweit größten fossilen Rohstoff-Konzerne versuchten, die britische Regierung davon zu überzeugen, sich für „Gas-Kompromiss einzusetzen“. Schon 2020 trafen sich Lobbyist*innen von  ExxonMobil, Shell, Chevron, Equinor und BP  mit dem britischen Handelsminister. Ihre Behauptung ist, dass Gas einen wichtigen Beitrag für Klimaschutz leiste. Aber Klimawissenschaftler*innen warnen, dass Gas nicht zu weniger Treibhausgas-Effekten, sondern zu einer Anheizung der Klimakrise führt. Die britische Regierung spricht nun von Routine-Meetings und die fossilen Rohstoff-Konzerne behaupten, sie engagieren sich für weniger CO2-Emissionen. Öl- und Gasproduktion machten laut eines Berichts von Disclosure Insight Action 2018 mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgas-Emissionen aus. ExxonMobil, Shell, Chevron und BP gehören laut eines weiteren Berichts von Disclosure Insight Action 2017 zudem zu den 100 Firmen, die im Zeitraum von 1988 bis 2015 für 71% der Treibhausgas-Emissionen im Industriesektor verantwortlich sind. Nicht umsonst wurden Chevron, ExxonMobil, BP und Shell in den Philippinen schon 2016 wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt, weil sie Verantwortung für die Konsequenzen der Klimakrise tragen. Nun geht es darum, sicherzustellen, dass die Stimmen derjenigen Menschen, die bereits am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, gehört und in den Entscheidungen der COP26 wiedergespiegelt werden. 

Europäische Zentralbank (EZB): Schritte Richtung Klimaschutz

Die Europäische Zentralbank kündigte am 08. Juli an, dass sie als Resultat ihrer Strategie-Überprüfung endlich Klimaschutz in ihrer Geldpolitik stärker berücksichtigen möchte. Sie reagiert damit auch auf Proteste der Klimabewegung. Erst im März dieses Jahres hatte ein Bericht der New Economics Foundation, SOAS University of London, the University of the West of England, the University of Greenwich und Greenpeace gezeigt, dass die Regelungen der EZB dazu, welche Sicherheiten private Banken nutzen können, fossile Rohstoffe begünstigen. So hat die EZB Vermögenswerte in Höhe von 300 Milliarden Euro von 60 fossilen Konzernen, wie Shell, Total, Eni und Repsol. Auch dazu gehört OMV, der österreichische Ölkonzern, der FFF- und Greenpeace-Aktivisti ausspähen lies. Nun verspricht die EZB einen „umfassenden Aktionsplan mit einem ehrgeizigen Fahrplan zur weiteren Einbeziehung von Klimaschutzüberlegungen“. Sie hat mittlerweile damit begonnen, bei Unternehmens-Anleihen Klimarisiken in ihr Prüfverfahren miteinzubeziehen und möchte in diesem Jahr überprüfen, inwiefern ihre bisherigen Kriterien für geldpolitische Anleihenkäufe klimaschädliche Unternehmen bevorzugen. Ab 2024 sollen Unternehmen ihre Klimarisiken offen legen müssen, um weiterhin am Anleihekaufprogramm der EZB teilzunehmen. Greenpeace kritisiert, dass damit zwar die Risiken der Umwelt für die Unternehmen, nicht aber die Risiken der Unternehmen für die Umwelt verfolgt würden. Im Generellen begrüßt Greenpeace die Änderungen, findet aber die Feststellungen zu vage und den Zeitplan zu abwartend. So freuen sich auch weitere Akteur*innen über den Erfolg, sagen aber zugleich, wie beispielsweise das Koala Kollektiv, dass sie weiterhin die Aktivitäten der EZB genau verfolgen werden, um sicherzustellen, dass es sich hierbei nicht nur um Greenwashing handelt

8-Milliarden-Euro-Sofortprogramm für den Klimaschutz: Wichtige Maßnahmen nicht beschlossen

Mitte Juni veröffentlichte die Bundesregierung die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021. Die umfassende Studie zeigt, dass die Klimarisiken in Deutschland seit 2015 stark angestiegen sind. Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Starkregen und Überschwemmungen werden häufiger. Kurze Zeit später einigten sich die Bundesregierung und Vertreter*innen der großen Koalition auf ein Sofortprogramm zum Klimaschutz. Etwas mehr als 8 Milliarden Euro sollen in 26 Klimaschutzprojekte investiert werden. Dazu zählt die Förderung energieeffizienter Gebäude, die Entwicklung klimaneutraler Produktionsprozesse für Unternehmen in z.B. der Stahl- und Zementindustrie, Ausbau von Radinfrastruktur, Forschung zu hybrid-elektrischem Fliegen und mehr Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge an Schnellstraßen. Doch wichtige Maßnahmen fehlen: Auf einen höheren CO2-Preis beispielsweise wurde sich nicht geeinigt, obwohl dies ein wirksames Lenkungsinstrument für die Förderung klimafreundlicher Praktiken wäre und der aktuelle Preis zu niedrig ist, um die wahren Kosten der Anheizung der Erderwärmung nur ansatzsweise abzubilden.  In Kraft treten kann das Sofortprogramm erst in der nächsten Legislaturperiode. Es ist Teil des Finanzplans für 2022, der nach der Bundestagswahl von dem neuen Bundestag beschlossen werden muss.  

Ergebnisse des Bürger*innenrats Klima wesentlich ambitionierter als die der Bundesregierung

Am Donnerstag, dem 24. Juni stellte der „Bürgerrat Klima“, ein Bürgerrat aus 160 zufällig ausgewählten Menschen, die sich bereit erklärten, in 12 Sitzungen Maßnahmen für den Umgang mit der Klimakrise zu diskutieren, seine Forderungen. Das oberste Ziel: Das Pariser Klimaabkommen mit dem 1,5 Grad-Ziel, „(um) den Erhalt der Lebensgrundlagen aller Menschen sicherzustellen“ , einhalten. Um dieses Ziel einzuhalten, haben die Bürger*innen, unter der Betreuung von Wissenschaftler*innen, Empfehlungen für die Bereiche Energie, Gebäude, Wärme und Mobilität formuliert. Diese Empfehlungen sollen den Parteien im Bundestag offiziell im Oktober übergeben werden. Wirft man einen Blick auf die Ideen des Bürgerrates, wird schnell klar, viele Entwürfe sind drastischer als die der momentanen Politik. So soll beispielsweise der Kohleausstieg, der auf 2038 angesetzt wurde, auf 2030 vorgezogen werden. Weiterhin soll bereits in den kommenden Jahren eine Pflicht für Photovoltaik-Anlagen-Bau auf Dächern eingeführt werden. Diese und weitere Forderungen legen die Annahme nahe, dass der „Bürgerrat Klima“, der einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen soll, aufzeigt: Die Bürger*innen Deutschlands sind bereit für klimagerechte Veränderung und nehmen die Klimakrise ernst. Ernster, als es die Politik momentan tut. Passend dazu merkte ehemaliger Bundespräsident und Schirmherr des Projektes, Horst Köhler, an, man solle die Bereitschaft der Bürger*innen für Veränderungen (im Bezug auf die Klimakrise) nicht unterschätzen.

Landwirtschaft: Stagnation auf EU-Ebene, Fortschritt bei der deutschen Zukunftskomission Landwirtschaft

Jede zehnte Tonne klimaschädlicher Gase in der EU kommt aus der Landwirtschaft. Und diese Emissionen sind seit 2013 nicht gesunken. Der Neu-Beschluss der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wäre nun die Chance gewesen, die Klimakrise mit ihren enormen Konsequenzen für die Landwirtschaft in Form von Dürren, Extremwetterereignissen etc. anzuerkennen und eine zukunftsgerichtete, sozial-ökologische Reform auf den Weg zu bringen. Die GAP ist mit 58 Milliarden Euro im Jahr eines der größten Investitionsprogramme der EU und die Verteilung der Gelder hat daher enormen Einfluss auf den Klimaschutz in der Landwirtschaft. Doch trotz Protesten und langem und zähen Ringen einigten die Vertreter*innen von Mitgliedsstaaten, Parlament und Komission sich am 25.06.21 auf einen Kompromiss, der die Krise der Landwirtschaft weiterhin verschärft. Ein Großteil der Gelder wird weiterhin nach Fläche vergeben – eine Regelung, die große Agrar-Konzerne begünstigt und Familienbetriebe und nachhaltige Landwirtschaft  mit geringeren Flächen benachteiligt. Nur 25% der Gelder sollen dafür genutzt werden, Bäuer*innen Anreize für Umwelt- und Klimaschutz zu geben – und die Mitgliedsstaaten können eigenmächtig diese Zahl zunächst sogar noch niedriger ansetzen. Mit dem von der deutschen Landwirtschaftsministerin propagierten „Systemwechsel“ mit der neuen GAP hat dies herzlich wenig zu tun. Zukunftsweisendere Impulse kommen unterdessen aus der Zukunftskomission Landwirtschaft der Bundesregierung. Das Expert*innengremium besteht aus Vertreter*innen des Bauernverbands, Umwelt- und Tierschützer*innen, Verbraucher*innen, Lebensmittelhersteller*innen und Handel. Sie argumentieren in ihrem aktuellen Bericht, den sie der Bundeskanzlerin übergaben, dass die deutsche Landwirtschaft aktuell jährlich 90 Milliarden Euro Kosten durch die Anheizung der Klimakrise, die Belastung der Böden und des Grundwassers und negative Effekte für die Gesundheit verursacht. Diese Kosten trage bisher die Allgemeinheit. Ein Kilo Rindfleisch koste so in Wirklichkeit beispielsweise 5-6 mal so viel, wie Verbraucher*innen aktuell im Supermarkt bezahlen. Zugleich stehen landwirtschafliche Betriebe unter starker wirtschaftlicher Belastung. 2-3% der Höfe machen jedes Jahr in Westdeutschland zu. Die Mitglieder der Zukunftskomission zeigen auf, wie es anders geht und schlagen vor: Statt nach Größe der Höfe sollen EU-Agrarsubventionen langfristig in Zukunft nach Umweltpraktiken Geld erhalten. Zudem soll es eine Tierwohlabgabe geben, sowie eine Abgabe auf Zucker, Fett und Salz. Für Obst und Gemüse dagegen soll die Mehrwertsteuer gesenkt werden. Hartz-IV-Empfänger*innen sollen mehr Geld für Lebensmittel erhalten. Auch geht der Bericht davon aus, dass die Anzahl der Tiere reduziert werden muss. 

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